Ach, Engelchen! – Detlev Meyer
… Ich will einen Racheengel, ich will das flammende Schwert und den unversöhnlichen Zorn. Einen Verkünder der Strafe will ich, einen Boten der Vergeltung. Einen zwanzig Meter hohen Herold will ich zum Denkmal haben, einen, der das Fürchten lehrt. Ihr tut uns nichts mehr, ihr bringt keine Lesbe mehr um, keinen Schwulen, so soll das Denkmal tönen, und bibbernd sollen die Heterosexuellen in seinem bedrohlichen Schatten frösteln. Und prächtig, prunkvoll soll das Denkmal sein; aus schierem Gold, und es soll an unsere Putzsucht erinnern, an unsere maßlose Sehnsucht nach Glanz und Glamour. Und ein Geschlecht habe es, ein weibliches und ein männliches, und das sei stolz und geil und gierig. Wegen ihrer Sexualität sind die Schwulen und Lesben ermordet worden, also müssen wir ihrer Lust ein Denkmal setzen, ihren so leicht entfachbaren Leidenschaften. Im Sockel des Denkmals sei eine gut sortierte Frauenbuchhandlung und eine gut besuchte Klappe und eine Kneipe, in der die Männer zaghaft schmusen und die Frauen gleich zur Sache kommen. Ein Wäldchen säume die Gedenkstätte mit sattgrünem Laubwerk, und es werden die Schreie der Lust das Schlagen der Nachtigall übertönen und das Trommelfell der Heterosexuellen malträtieren. So wird es sein, so wollen wir die Ermordeten ehren! …
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